Einleitung
Unternehmen erzeugen heute täglich riesige Mengen an Daten. Jede erledigte Aufgabe, jede bearbeitete Transaktion und jede beantwortete Anfrage hinterlässt eine digitale Spur – kleine Puzzlestücke, die zusammen ein realistisches Bild davon zeichnen, wie ein Unternehmen tatsächlich funktioniert. Trotz dieser Datenfülle tun sich viele Organisationen schwer damit, daraus konkrete Optimierungspotenziale abzuleiten.
Genau hier setzt Process Mining an. Die Methode schließt die Lücke zwischen vorhandenen Systemdaten und operativer Realität. Sie nutzt Informationen aus IT-Systemen, um reale Geschäftsprozesse sichtbar zu machen, zu analysieren und gezielt zu verbessern. Statt auf Annahmen oder theoretische Modelle zu setzen, basiert Process Mining auf tatsächlichen Abläufen – und zeigt auf, was gut funktioniert, wo es scheitert und wo Optimierung möglich ist.
In diesem Blogartikel stellen wir die Grundprinzipien, typischen Schritte und zentralen Vorteile von Process Mining vor – und zeigen, wie es sich in eine umfassende Strategie zur Prozessoptimierung einfügt. Ganz gleich, ob Sie ganz neu in das Thema einsteigen oder konkrete Einsatzmöglichkeiten suchen – dieser Leitfaden bietet für alle einen fundierten Überblick.
Definition von Process Mining
Process Mining ist ein datengetriebener Ansatz, der Unternehmen hilft, ihre tatsächlichen Prozessabläufe besser zu verstehen. Dabei werden sogenannte Event Logs – also digitale Protokolle aus IT-Systemen wie ERP- oder CRM-Lösungen – extrahiert und zur Visualisierung realer Prozessverläufe genutzt.
Im Gegensatz zu klassischen Prozessanalysen, die oft auf Interviews oder Annahmen beruhen, liefert Process Mining ein objektives Bild, das auf echten Systemdaten basiert. Dadurch lassen sich Schwachstellen präzise identifizieren, Abläufe gezielt optimieren und fundierte Entscheidungen zur Leistungsverbesserung treffen.
Zentrale Konzepte im Process Mining
Process Mining verwandelt fragmentierte Daten in eine ganzheitliche Sicht auf Ihre Geschäftsabläufe – eine Sicht, die analysiert, gemessen und verbessert werden kann. Die folgenden Kernelemente machen dies möglich:
Ereignisprotokoll (Event Log)
Ereignisprotokolle sind digitale Aufzeichnungen darüber, wann und wie einzelne Schritte eines Prozesses stattfinden. Ihre IT-Systeme erzeugen diese Protokolle automatisch im Tagesgeschäft – sie bilden die Rohdatenbasis für das Process Mining.
Prozesserkennung (Process Discovery)
Bei der Prozesserkennung wird auf Basis der realen Daten aus dem Ereignisprotokoll ein Prozessmodell erstellt. So lässt sich der tatsächliche Ablauf eines Prozesses nachvollziehen – inklusive versteckter Schwachstellen oder Abweichungen vom Soll-Zustand.
Konformitätsprüfung (Conformance Checking)
Bei der Konformitätsprüfung wird das ermittelte Ist-Prozessmodell mit einem erwarteten oder idealen Soll-Prozess verglichen, um Abweichungen zu identifizieren. Dies ist besonders hilfreich, um die Einhaltung interner Standards, Richtlinien oder gesetzlicher Vorgaben sicherzustellen.
Performanceanalyse
Die Performanceanalyse macht Engpässe, Wiederholungsschritte und andere Ineffizienzen sichtbar, die optimiert werden können – für reibungslosere und schnellere Abläufe. Durch kontinuierliches Monitoring relevanter Leistungskennzahlen können Unternehmen frühzeitig reagieren und gezielte Verbesserungen umsetzen.
Prozessverbesserung
Sobald fundierte Erkenntnisse vorliegen, lassen sich Prozesse gezielt überarbeiten. Dies kann beispielsweise durch vereinfachte Abläufe, weniger Verzögerungen oder den Einsatz von Automatisierung zur Effizienzsteigerung und Kostensenkung geschehen.
Tipp: Eine kompakte Übersicht der wichtigsten Begriffe finden Sie in unserem Cheatsheet zu den Grundlagen des Process Mining.

Kernkompetenzen des Process Mining
Wie funktioniert Process Mining?
Schritt 1: Digitale Spuren erfassen
Jede Aktion in Ihren Systemen – sei es das Abschließen einer Aufgabe, das Verschieben einer Datei oder das Erfassen einer Anfrage – hinterlässt digitale Spuren. Diese Informationen, die in ERP- oder CRM-Systemen gespeichert sind, bilden die Datenbasis für Process Mining.
Schritt 2: Prozesse visualisieren
Die gesammelten Daten werden in ein visuelles Modell überführt, das den tatsächlichen Ablauf der Arbeit zeigt. Es macht den realen Prozessfluss sichtbar – inklusive Varianten und Abweichungen zwischen Soll und Ist.

Visualisierung des Prozessflusses auf Basis aufgezeichneter Event-Daten
Schritt 3: Schwachstellen erkennen
Sobald der Prozess abgebildet ist, werden Verbesserungspotenziale wie Verzögerungen, unnötige Schritte oder Wiederholungen deutlich erkennbar. Diese Erkenntnisse dienen den Teams als Grundlage, um gezielt Prozesse zu optimieren.
Schritt 4: Kontinuierliche Verbesserung ermöglichen
Durch laufendes Monitoring unterstützt Process Mining die kontinuierliche Optimierung Ihrer Abläufe. So lassen sich Veränderungen verfolgen, deren Auswirkungen messen und die Prozesse dauerhaft an Ihre Leistungsziele anpassen.

Dashboards mit zentralen Leistungskennzahlen und Prozess-Trends
Zentrale Vorteile von Process Mining
Effizienz steigern und Kosten senken
Process Mining zeigt auf, wo Prozesse Zeit oder Ressourcen verschwenden. Unternehmen können so Durchlaufzeiten verkürzen und ihre Ressourcennutzung verbessern – was sich direkt in niedrigeren Betriebskosten niederschlägt.
Compliance stärken und Risiken minimieren
Klare Einblicke in die Prozessabläufe helfen, Compliance-Verstöße frühzeitig zu erkennen und Risiken rechtzeitig zu adressieren. Process Mining schafft Transparenz und Nachvollziehbarkeit – ideal, um Standards zuverlässig einzuhalten und Audits entspannt zu meistern. Gleichzeitig sinkt das Risiko kostspieliger Sanktionen.
Fundierte, datengestützte Entscheidungen treffen
Anstatt sich auf Bauchgefühl oder veraltete Daten zu verlassen, greifen Unternehmen auf aktuelle, präzise Informationen zu. So lassen sich Problemfelder gezielt identifizieren, Unsicherheiten minimieren und Veränderungen mit mehr Sicherheit umsetzen.
Kundenerlebnis verbessern und Agilität erhöhen
Reibungslose Prozesse wirken sich spürbar auf die Kundenzufriedenheit aus. Weniger Fehler und schnellere Reaktionszeiten ermöglichen verlässliche Leistungen. Mit Process Mining wird zudem die Anpassungsfähigkeit Ihrer Organisation gestärkt – bei sich ändernden Kundenbedürfnissen oder Marktbedingungen können Sie flexibler reagieren.
Mehr Transparenz und schnellere Fehlererkennung
Einer der größten Vorteile von Process Mining: Sie sehen, wie Ihre Prozesse tatsächlich ablaufen – nicht wie sie laut Theorie funktionieren sollten. Diese Transparenz schafft Klarheit über Engpässe, Fehlerquellen oder ineffiziente Teilprozesse – und ermöglicht eine frühzeitige Problemerkennung.
Manuellen Aufwand reduzieren und Automatisierung vorantreiben
Viele Aufgaben werden noch manuell und wiederholt ausgeführt. Process Mining zeigt, wo Automatisierung sinnvoll ist – so lassen sich Fehler verringern, Abläufe beschleunigen und Teams entlasten.
Bessere bereichsübergreifende Zusammenarbeit fördern
In vielen Unternehmen gibt es Schwierigkeiten bei der abteilungsübergreifenden Kommunikation. Process Mining schafft eine gemeinsame, datenbasierte Sicht auf Prozesse. Das erleichtert die Abstimmung, fördert gegenseitiges Verständnis und hilft, Probleme ohne Reibungsverluste zu lösen.
Tipp: Möchten Sie diese Vorteile auf Ihre Prozesse anwenden? Dann werfen Sie einen Blick auf unser Process-Mining-Modul in ADONIS.
Process Mining mit Process Intelligence erweitern
Was ist Process Intelligence?
Process Intelligence geht einen Schritt über klassisches Process Mining hinaus. Es zeigt nicht nur, was in einem Prozess passiert – sondern hilft dabei zu verstehen, warum. Mithilfe von Technologien wie Machine Learning und Künstlicher Intelligenz lassen sich tiefere Erkenntnisse aus den Daten gewinnen. So können Prozesse nicht nur visualisiert, sondern auch zukünftige Entwicklungen vorhergesagt, verborgene Muster erkannt und intelligente Handlungsempfehlungen abgeleitet werden. Process Intelligence fungiert damit als intelligenter Assistent zur effektiveren Steuerung Ihrer Geschäftsprozesse.
Wie baut Process Intelligence auf Process Mining auf?
Während Process Mining zeigt, wie Arbeit durch Ihre Systeme fließt, analysiert Process Intelligence die Gründe hinter bestimmten Mustern. Wenn etwa eine Aufgabe regelmäßig verzögert wird, liefert Process Intelligence Hinweise darauf, ob Ressourcenengpässe, Systemverzögerungen oder andere Ursachen dafür verantwortlich sind. Solche Erkenntnisse helfen Teams, vom reaktiven zum proaktiven Handeln überzugehen.
Warum das relevant ist
Process Mining liefert Ihnen die Daten – Process Intelligence hilft, sie zu verstehen. Die Kombination beider Ansätze ermöglicht:
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Tiefere Einblicke: Kontext statt nur Visualisierung – verstehen Sie die Ursachen hinter der Leistung.
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Vorausschauende Erkenntnisse: Erkennen Sie potenzielle Probleme, bevor sie eskalieren.
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Intelligentere Entscheidungen: Reagieren Sie schneller und fundierter mit KI-gestützten Empfehlungen.
Gemeinsam schaffen Process Mining und Process Intelligence eine starke Basis, um Prozessoptimierung gezielt und skalierbar voranzutreiben.
Process Mining im Vergleich zu anderen Methoden
Process Mining vs. Data Mining
Data Mining sucht in großen Datenmengen nach allgemeinen Mustern. Process Mining hingegen konzentriert sich darauf, zu verstehen, wie bestimmte Prozesse im Zeitverlauf tatsächlich ablaufen. Während Data Mining etwa vorhersagen kann, was Kunden wahrscheinlich kaufen, zeigt Process Mining, wie der Order-to-Cash-Prozess funktioniert – und wo es dabei zu Verzögerungen kommt.
Kurz gesagt:
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Data Mining ist ein übergeordneter Ansatz zur Identifikation allgemeiner Trends.
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Process Mining ist eine spezialisierte Form davon, die Abläufe und Engpässe in Prozessen sichtbar macht.
Wo Task Mining ins Spiel kommt
Task Mining fokussiert sich auf die Arbeit einzelner Personen. Es zeichnet Klicks, Aktionen oder Tastatureingaben in Softwareanwendungen auf und analysiert dadurch, wie Aufgaben tatsächlich erledigt werden – inklusive möglicher Ineffizienzen auf Nutzerebene.
Process Mining betrachtet Prozesse dagegen auf einer höheren Ebene – über Systeme hinweg. In Kombination liefern beide Methoden eine Mikro- und Makroperspektive: Sie zeigen sowohl, wie einzelne Aufgaben ausgeführt werden, als auch, wie diese ins große Ganze passen.
Ergänzung zum Geschäftsprozessmanagement (GPM)
Geschäftsprozessmanagement (GPM) befasst sich mit dem Entwerfen und Optimieren von Prozessmodellen. Diese basieren jedoch häufig auf Annahmen. Process Mining bringt reale Daten ins Spiel – und überprüft, ob Prozesse tatsächlich so ablaufen wie geplant.
In Kombination gilt:
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GPM gestaltet und optimiert die Geschäftsprozesse.
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Process Mining prüft, ob diese Theorie mit der Realität übereinstimmt, und liefert kontinuierlich Leistungsdaten.
Diese Verbindung führt zu fundierteren Verbesserungen, weil Entscheidungen auf Daten beruhen – nicht nur auf Vermutungen.
Unterstützung von RPA
Robotic Process Automation (RPA) automatisiert wiederkehrende Aufgaben. Ohne ein umfassendes Prozessverständnis besteht jedoch die Gefahr, dass falsche Schritte automatisiert oder Potenziale übersehen werden.
An diesem Punkt hilft Process Mining, indem es die besten Automatisierungsmöglichkeiten im Vorfeld identifiziert. Und auch nach der Einführung von RPA unterstützt Process Mining weiterhin – durch laufende Erfolgskontrollen, Leistungsüberwachung und Sicherstellung nachhaltiger Ergebnisse.
Herausforderungen und Grenzen von Process Mining
Weitverbreitete Missverständnisse
Process Mining ist kein Allheilmittel. Manche erwarten, dass es sämtliche Ineffizienzen sofort beseitigt – dabei hängt sein Nutzen stark von der Datenqualität und der richtigen Interpretation der Ergebnisse ab. Process Mining ersetzt keine Strategie oder Fachkompetenz, sondern liefert eine faktenbasierte Grundlage zur Unterstützung. Oft wird es auch mit Automatisierung verwechselt, obwohl es in erster Linie darum geht, Prozesse zu verstehen und zu verbessern – nicht sie automatisch auszuführen.
Datenqualität und Integration
Eine der größten Herausforderungen ist die Qualität der Daten. Ereignisprotokolle müssen vollständig, konsistent und korrekt sein. Wenn zentrale Aktivitäten nicht erfasst oder Daten aus verschiedenen Systemen nicht abgestimmt sind, sind auch die gewonnenen Erkenntnisse unzuverlässig. In vielen Unternehmen sind die relevanten Prozessdaten über mehrere Systeme verteilt – was die Integration komplex und zeitaufwendig macht.
Wie Sie diese Herausforderungen meistern
Der Schlüssel liegt in einem soliden Datenmanagement. Definieren Sie klare Standards dafür, wie Daten erfasst, gespeichert und systemübergreifend ausgetauscht werden. Investieren Sie in passende Integrationen – etwa durch APIs oder Data Warehouses –, um Daten aus unterschiedlichen Quellen zusammenzuführen.
Arbeiten Sie eng mit Ihren Teams zusammen, um sicherzustellen, dass die Daten die Realität abbilden und nicht nur Soll-Prozesse widerspiegeln. Und passen Sie Ihre Process-Mining-Infrastruktur laufend an – denn wie die Prozesse selbst, sollte auch Ihre Analyse mit dem Unternehmen wachsen.
Zusammenfassung
Process Mining bietet einen klaren, datenbasierten Blick auf die tatsächlichen Abläufe im Unternehmen. Es hilft, Annahmen zu überwinden, Ineffizienzen aufzudecken, Kosten zu senken und fundierte Entscheidungen zu treffen.
Dabei ersetzt Process Mining nicht die Strategie – es stärkt sie. Mit kontinuierlichem Monitoring und detaillierten Einblicken ermöglicht es Unternehmen, gezielt und realitätsnah zu optimieren.
In einer zunehmend digitalisierten Unternehmenswelt ist diese Transparenz nicht nur hilfreich – sie ist unverzichtbar.